Der Shitstorm wird gewaltig sein
Kommentar zum Essay „Die Rente ist (nicht) sicher“.
Vieles von dem, was zu meinem Essay gesagt werden wird, ist absolut vorhersehbar. Zuerst wird man mir vorwerfen, ich hätte die vielen Rentenreformen nicht erwähnt. Falsch: Ich habe sie erwähnt und hätte mich mit ihnen genauer auseinandergesetzt, wenn sie am grundsätzlichen Mangel des Rentensystems, der Geburtenlücke, etwas geändert hätten. Haben sie nicht, denn sonst hätten die kinderlosen Beitragszahler längst begonnen, ihren Kapitalstock zu bilden.
Tatsächlich wurden fünf plus X Dinge getan: Man hat
- ein wenig am Renteneintrittsalter geschraubt. Man arbeitet jetzt 2 Jahre länger, bezieht dafür aber fast 20 Jahre länger Rente. Das passt hervorragend.
- die Rentenhöhe im Verhältnis zum Einkommen Zug um Zug af 48% gesenkt und damit den Weg in die Altersarmut wieder eröffnet.
- den Bundeszuschuss auf schwindelerzeugende Höhen getrieben und
- zugleich die Mütterrente, die Rente mit 63, die Fremdrenten, die Angleichung der Renten in den neuen Bundesländern von dem dortigen Lohn. und Gehaltsniveau entkoppelt, die Frühverrentungen bei Sozialplänen etc. pp. draufgesattelt
- die Bürgergeldempfänger aus den Ausgleichszahlungen ausgenommen
Wer hier von einer „Rentenreform spricht, gehört, „bildlich“ gesprochen, kalt geduscht. Wie sagt man so schön? Bullshit. Alles bloß Augenwischerei und Bullshit. Allerdings mit einschneidenden Folgen für die Rentenempfänger, die sich fragen, wie sie mit ihren Bezügen ihren Lebensabend gestalten sollen.
Wie schlimm die Finanzlage der Rentenkasse wirklich ist, erweist sich in den zugleich gestiegenen Höchstgrenzen und Beitragssetzen. Man kann, liebe Leserinnen und Leser, nun einmal ein knappes Drittel Ausfall bei den Beitragszahlern nicht einfach weghexen. Wegkompensieren kann man diese Geburtenlücke, die seit spätestens 1974 manifest besteht, erst recht nicht. Von dem durch ihr Fehlen nicht entstandenen Wirschafts- und Wohlstandswachstum einmal abgesehen. Und, liebe Leute, das kumuliert sich auf mit der Zeit, das Problem wächst also mit jedem Boomer, der ohne eigene in Rente geht, immer stärker, immer schneller. Diese Entwicklung wird, nein, muss, das Rentensystem erdrücken. Und nicht das, auch die öffentlichen Kranken- und die Pflegekassen.
Zu guter Letzt wird mir unterstellt werden,
- ich würde die Frauen wieder an dem heimischen Herd schicken wollen und ein gestriges Familienbild vertreten. Dabei kann ich nur das offensichtlich besser als viele: systemisch und logisch denken. Niemand möchte die 1950er Jahre zurück. Am allerwenigsten ich. Finanzmathematisvh bleibt die Konstruktion der Rente aus dieser Zeit nur, wie sie aktuell ist: Kein eigenes Kind, keine eigene Rente, oder die Rentekasse fährt in die Zahlungsunfähigkeit – und mit ihr der ganze Laden. Wer also gestrig ist, ist der, der auf die Situation heute die Antwort aus den 1950er Jahren gibt: Genau macht die deutsche Rente heute. Und die meisten politischen Akteure haben entweder die Hosen voll oder kochen ihr Süppchen damit.
- ich hätte kein soziales Gewissen, wäre eiskalt und überhaupt ein schlechter und unfairer Mensch. Mir ist klar, dass das Essay für schmerzhafte Zumutungen an eine Menge Menschen nur so strotzt. Lebenslügen zerplatzen, Ansprüche lösen sich nichts auf, Lebensträume müssen auf übermorgen verschoben werden. Allerdings haben sich die allermeisten sich ihre Lage selbst zuzuschreiben. Die Wirklichkeit wird nicht deshalb anders, weil sie uns endlich zur Verantwortung für das eigene Handeln zwingt. Der Freeride ist vorbei, das Leben war schon immer hart und ungerecht und die Realität ist und bleibt unerbittlich. Sie verzeiht nichts.
Die Sozialkassen wirklich in ihrem Kern zu sanieren und zukunftsfest zu machen, wird sehr weh tun. Der Grund ist einfach: Wer fünfzig Jahre wartet, um das Richtige endlich zu tun, muss dafür gerade stehen. Jetzt ist der Tag gekommen, an dem der Kassensturz unausweichlich ist und jeder seinen Teil, je nach Verantwortung für seine Lage übernehmen und beitragen muss. Schon das allein ist ein guter Grund, warum sowohl Staatsdiener als auch Politiker endlich den Nutzen und das Leid unseres Renten- und Sozialkassensystems am eigenen Leib miterleben müssen.
Das Beste zum Schluss. Ich selbst bin seit meinem fast exakten 66sten Lebensjahr mittlerweile drei Jahre Meridianrentner mit nahezu 42 Beitragsjahren, obgleich Vollakademiker und Wehrdienstleistender. Das geht. Man muss sich nur etwas schneller bewegen als der Rest. Ich bin bei der AOK seit meinem ersten Arbeitstag versichert. Als Unternehmer arbeite ich immer noch voll. Auch das geht. Und macht Riesenspaß.
Und jetzt ihr.
